Warum Männer sich gegen ein Spermiogramm weigern: Psychoanalytische Perspektiven und die Bedeutung für die Partnerschaft

In vielen Partnerschaften, die mit unerfülltem Kinderwunsch konfrontiert sind, ist das Thema der Fertilität ein zentrales Thema. Dabei fällt oft auf, dass es in vielen Fällen die Frauen sind, die sich regelmäßig untersuchen lassen, während Männer sich häufig gegen Untersuchungen wie ein Spermiogramm sträuben. Dieser Widerstand, insbesondere das Verweigern einer Spermauntersuchung, ist aus psychoanalytischer Sicht ein faszinierendes Phänomen, das tief in gesellschaftlichen Normen, individuellen Ängsten und oft auch in der Wahrnehmung von Männlichkeit verwurzelt ist. Aber warum ist das so? Und wie wirkt sich dieses Verhalten auf die Frauen in der Beziehung aus?

Das Spermiogramm: Ein Test der Männlichkeit?
Das Spermiogramm ist eine einfache und weit verbreitete Methode, um die Qualität der Spermien zu überprüfen. Es handelt sich dabei um eine Untersuchung, die relativ unkompliziert ist und in vielen Fällen Aufschluss über mögliche Ursachen für Unfruchtbarkeit gibt. Für viele Männer jedoch wird dieser Test nicht nur zu einer medizinischen Routine, sondern zu einer Frage der Männlichkeit und Identität.

Die psychoanalytische Theorie von Sigmund Freud und seinen Nachfolgern lässt sich hier gut anwenden. In einer Gesellschaft, die Männlichkeit häufig mit Fruchtbarkeit, Sexualität und körperlicher Leistungsfähigkeit gleichsetzt, kann der Test als eine Art Bedrohung der männlichen Identität wahrgenommen werden. Ein schlecht ausfallendes Spermiogramm könnte für den Mann als Versagen interpretiert werden – nicht nur auf biologischer Ebene, sondern auch auf psychologischer. Es stellt die Frage, ob er als „richtiger“ Mann betrachtet wird, was tief verwurzelte Ängste über die eigene Männlichkeit und Sexualität hervorrufen kann.

Ein weiterer Aspekt, den man berücksichtigen muss, ist der psychologische Druck, der durch die Vorstellungen von Männlichkeit entsteht. Männliche Fruchtbarkeit wird oft mit der Fähigkeit zur Zeugung gleichgesetzt, was die Bedeutung eines Spermiogramms noch verstärkt. Ein Mann, der seine Spermienqualität überprüfen lässt, könnte befürchten, dass dies als Eingeständnis seiner „Unvollständigkeit“ oder „Unmännlichkeit“ wahrgenommen wird.

Männer und das tabuisierte Thema „Körperliche Untersuchung“
Es gibt auch einen weiteren, eher kulturellen Faktor: Viele Männer sind in Bezug auf die Untersuchung des eigenen Körpers gegenüber Ärzten eher zurückhaltend. Im Gegensatz zu Frauen, die oft ermutigt werden, sich regelmäßig gesundheitlichen Check-ups und Vorsorgeuntersuchungen zu unterziehen, ist bei Männern das Thema Gesundheit in der Regel weniger präsent. Das zeigt sich nicht nur im Bereich der Fruchtbarkeit, sondern auch in anderen Bereichen wie Prostatauntersuchungen oder allgemein bei der Bereitschaft, Körperfunktionen überprüfen zu lassen. Die Gesellschaft erwartet von Männern oft, dass sie „stark“ sind und keine Schwächen zeigen – auch keine gesundheitlichen. Diese Haltung kann dazu führen, dass Männer gesundheitliche Probleme eher verdrängen und vermeiden, sie anzugehen.

Die Frau und der offene Umgang mit Gesundheitsthemen
Im Gegensatz dazu sind es oft die Frauen, die einen deutlich offeneren Zugang zu Gesundheitsfragen haben. Sie sind es, die regelmäßig zum Frauenarzt gehen, sich Vorsorgeuntersuchungen unterziehen und auch in einer Partnerschaft schneller bereit sind, über Themen wie Unfruchtbarkeit zu sprechen und entsprechende Untersuchungen zu machen. Dieser Unterschied hat sowohl biologische als auch gesellschaftliche Wurzeln.

Biologisch gesehen, ist die Frau in der Reproduktionsmedizin oft stärker involviert, da der Zyklus, die Ovulation und der Schwangerschaftstest vor allem ihre Verantwortung sind. Die Gesellschaft hat zudem eine langfristige kulturelle Tradition, in der Frauen für die Gebärfähigkeit und Pflege von Kindern verantwortlich gemacht werden. Diese kulturellen Erwartungen führen dazu, dass Frauen sich stärker mit ihrer Fruchtbarkeit und ihrer Körperwahrnehmung auseinandersetzen und somit eher bereit sind, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Psychoanalytisch lässt sich dieser Unterschied als eine Reaktion auf gesellschaftliche Rolleninterpretationen von Männlichkeit und Weiblichkeit verstehen. Frauen wird in vielen Kulturen zugeschrieben, dass sie sich um ihre eigene Gesundheit und die ihrer Familie kümmern – eine Rolle, die sie in Partnerschaften oft zu einer „Fürsorglichen“ macht, die proaktiv zu Lösungen greift. Dies mag auch erklären, warum Frauen häufiger dazu bereit sind, die Verantwortung für medizinische Untersuchungen zu übernehmen, während Männer sich häufig in einer passiveren, reaktiven Rolle wiederfinden.

Die Auswirkungen auf die Beziehung: Was passiert, wenn der Mann sich weigert?
Die Verweigerung eines Spermiogramms hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf den Mann, sondern auch auf die Frau und die Dynamik der Beziehung. Für die Frau kann der Widerstand des Partners eine Vielzahl von Gefühlen hervorrufen. Zunächst kann sie sich im Stich gelassen fühlen, da der Wunsch, eine Familie zu gründen, für sie genauso stark sein kann wie für den Mann. Die Entscheidung des Partners, sich gegen eine Untersuchung zu sträuben, kann in ihr die Angst wecken, dass er sich entweder nicht ausreichend mit dem Thema auseinandersetzt oder gar nicht bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen.

Ein weiteres mögliches Gefühl ist Frustration. In vielen Fällen ist die Frau bereits auf einem langen Weg der medizinischen Untersuchungen und Behandlungen, um die Ursachen für Unfruchtbarkeit zu finden, während der Mann möglicherweise noch zögert, sich einem einfachen Test zu unterziehen. Dies kann zu einem Gefühl der Ungleichheit in der Partnerschaft führen und die Frau in eine Position drängen, in der sie das Gefühl hat, die gesamte Last der Situation zu tragen.

Wenn sich der Mann gegen die Untersuchung sträubt, kann dies auch als Zeichen von Angst oder Unsicherheit interpretiert werden, was für die Frau ebenfalls eine schwierige Situation darstellen kann. Anstatt gemeinsam an der Lösung des Problems zu arbeiten, kann sich der Konflikt vertiefen und das Gefühl entstehen, dass der Mann die Verantwortung von sich schiebt.

Fazit: Kommunikation und Verständnis sind entscheidend
In einer Beziehung, in der Kinderwunsch und Fruchtbarkeit eine zentrale Rolle spielen, ist es entscheidend, dass beide Partner offen miteinander kommunizieren. Ein Spermiogramm ist nicht nur ein medizinischer Test, sondern auch ein Symbol für die Bereitschaft, sich der Realität zu stellen und Verantwortung zu übernehmen. Für Männer, die sich weigern, einen solchen Test zu machen, kann es hilfreich sein, die eigenen Ängste und Bedenken zu reflektieren und diese in einem sicheren Rahmen zu äußern. Für die Frauen ist es wichtig, ihre eigenen Gefühle von Frustration und Enttäuschung anzusprechen, um gemeinsam Lösungen zu finden und die Beziehung zu stärken.

Es geht darum, die Tabus zu durchbrechen und das Thema Fruchtbarkeit als eine gemeinsame Herausforderung zu betrachten – eine, bei der beide Partner die Verantwortung tragen und gleichzeitig Unterstützung und Verständnis füreinander aufbringen müssen. Nur so kann eine gesunde, respektvolle und auf Vertrauen basierende Partnerschaft entstehen, die bereit ist, auch schwierige Themen zu bewältigen.

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert