Habgier – Das unstillbare Verlangen
Habgier wird in der Alltagssprache oft auf materiellen Besitz reduziert: Geld, Macht, Luxus. Doch psychoanalytisch betrachtet geht es bei Habgier um weit mehr – um ein inneres, unstillbares Verlangen, das auch emotionale oder psychische Bereiche betreffen kann. Habgier ist ein Hinweis darauf, dass etwas im Inneren fehlt, das wir durch äußere Dinge auszugleichen versuchen.
Habgier als Ausdruck innerer Leere
Melanie Klein (1932) beschreibt Habgier als Reaktion auf frühe Erfahrungen von Mangel und Frustration. Schon im Säuglingsalter kann das Gefühl entstehen, dass Bedürfnisse nicht immer befriedigt werden. Dieses frühkindliche Empfinden von „Nicht genug bekommen“ kann sich ins Erwachsenenleben übertragen – in Form eines ständigen Drangs nach mehr.
W. R. D. Fairbairn (1952) ergänzt, dass Habgier oft als Versuch gesehen werden kann, innere Leere durch äußere Objekte zu füllen. Ob es sich um materiellen Besitz, Aufmerksamkeit, Erfolg oder Bestätigung handelt – die Suche nach „mehr“ ist ein unbewusster Versuch, sich selbst zu stabilisieren.
Psychoanalytischer Blick
Habgier ist nicht einfach nur eine schlechte Charaktereigenschaft, sondern ein psychischer Mechanismus. Sie zeigt, wo wir uns innerlich unvollständig fühlen. Die Suche nach Besitz oder Kontrolle kann kurzfristig Sicherheit geben, langfristig jedoch oft Leere und Unzufriedenheit verstärken. Psychoanalytisch gesehen ist die Herausforderung, diese inneren Mängel zu erkennen und Wege zu finden, sie auf gesunde Weise zu erfüllen – etwa durch Selbstreflexion, Beziehungserfahrungen oder kreative Tätigkeiten.
Habgier in Beziehungen
Habgier kann auch Beziehungen belasten. Wer ständig nach „mehr“ strebt, übersieht leicht die Bedürfnisse anderer oder setzt sich selbst und seine Ansprüche über das gemeinsame Wohl. Indem wir unsere eigenen inneren Mängel anerkennen, können wir lernen, weniger von äußeren Dingen abhängig zu sein und Beziehungen authentischer zu gestalten.
Kurz zusammengefasst:
Habgier ist oft Ausdruck innerer Leere und unerfüllter Bedürfnisse.
Sie kann durch Besitz, Kontrolle oder Anerkennung kurzfristig kompensiert werden.
Psychoanalytisch gesehen ist Habgier ein Hinweis auf frühkindliche Erfahrungen von Mangel und Frustration.
Literatur & Referenzen
Klein, M. (1932). The Psycho-Analysis of Children. London: Hogarth Press.
Fairbairn, W. R. D. (1952). Psychoanalytic Studies of the Personality. London: Routledge & Kegan Paul.
Freud, S. (1915). Instincts and Their Vicissitudes. SE, 14: 109–140.