Orthopädie & Traumatologie: Körper, Haltung und innere Lasten

Wenn wir Schmerzen verspüren, eine Verletzung erleiden oder merken, dass uns buchstäblich „die Haltung fehlt“, denken wir meist zuerst an Medizin: an Muskeln, Knochen, Bänder, an Unfallfolgen oder Fehlhaltungen. Das ist richtig und notwendig – aber es ist nur eine Seite der Wirklichkeit.

Die Psychoanalyse eröffnet eine weitere Perspektive: Sie versteht den Körper als ein Medium, in dem sich Unbewusstes ausdrückt. Schmerzen, Bewegungsblockaden oder wiederkehrende Verletzungen können nicht nur auf biologische Ursachen zurückgehen, sondern auch eine seelische Dimension haben. Sie erzählen eine Geschichte – oft eine, die der bewusste Verstand nicht kennt, die aber im Körper ihren Niederschlag findet.

Schmerz als Symbol

Rückenschmerzen können auf Verspannungen oder Abnutzung beruhen. Doch wenn sie chronisch werden, lohnt sich die Frage, ob sie auch eine Botschaft enthalten: Trage ich zu viel „Last auf den Schultern“? Bin ich in einer Lebenshaltung erstarrt, die mich unbeweglich macht?

Die psychoanalytische Literatur hat immer wieder hervorgehoben, dass das Körpererleben ein zentraler Ort unbewusster Ausdrucksformen ist. Der Körper spricht – manchmal durch Verspannung, manchmal durch Schmerz, manchmal durch den Zusammenbruch einer gewohnten Stabilität.

Trauma – doppelt verstanden

In der Medizin bezeichnet Trauma eine Verletzung durch äußere Einwirkung. In der Psychoanalyse geht es darüber hinaus um seelische Erschütterungen. Beides kann zusammenfallen: Ein Unfall kann alte Ängste, frühere Hilflosigkeit oder Gefühle des Ausgeliefertseins wachrufen. Umgekehrt können unbewusste Muster – etwa ständige Selbstüberforderung oder riskantes Verhalten – die Wahrscheinlichkeit für Verletzungen erhöhen.

Haltung und Seele

Haltung ist nicht nur eine Frage der Biomechanik, sondern auch der Psyche. Schon Freud betonte: „Das Ich ist vor allem ein körperliches.“ (1923). Ob wir uns aufrichten oder klein machen, ob wir standhalten oder einknicken – all das ist Ausdruck einer inneren Positionierung. In unserer Haltung tragen wir Spuren unserer Beziehungserfahrungen, unseres Selbstbildes, unserer Ängste und Wünsche.

Warum Psychoanalyse?

Wer eine Psychoanalyse beginnt, macht sich auf den Weg, diesen unbewussten Bedeutungen auf die Spur zu kommen. Sie fragt nicht nur: Was tut weh? – sondern auch: Warum tut es genau hier weh, genau jetzt?
In der Analyse entsteht Raum, den symbolischen Gehalt von Symptomen zu erkunden, innere Konflikte zu verstehen und neue Wege im Umgang mit sich selbst zu finden.

Fazit

Der Stütz- und Bewegungsapparat trägt uns durchs Leben – physisch wie seelisch. Erkrankungen und Verletzungen betreffen deshalb immer auch unser inneres Gleichgewicht. Die Psychoanalyse lädt dazu ein, hinter die rein körperlichen Erscheinungen zu blicken und das zu erforschen, was in Haltung, Schmerz und Bewegung unbewusst eingeschrieben ist.


Literatur

  • Freud, S. (1923). Das Ich und das Es. Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag.

  • Marty, P. (1990). L’ordre psychosomatique. Paris: Presses Universitaires de France.

  • Schilder, P. (1950). The Image and Appearance of the Human Body. New York: International Universities Press.

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