OPD Achse 2: Die Bedeutung der Beziehung in der psychodynamischen Diagnostik
Die operationalisierte psychodynamische Diagnostik (OPD) ist ein wertvolles Instrument, das Psychoanalytikern und Therapeuten hilft, psychische Störungen und Persönlichkeitsstrukturen zu verstehen. Ein zentrales Element der OPD ist Achse 2, die sich mit der Beziehung zwischen dem Patienten und anderen Personen befasst. Diese Dimension umfasst nicht nur die Interaktionen des Patienten mit anderen, sondern auch die Beziehung zum Therapeuten, da diese eine besonders wichtige Rolle im therapeutischen Prozess spielt. In diesem Blogartikel wollen wir untersuchen, wie die Beziehung in Achse 2 der OPD berücksichtigt wird, warum sie für die Therapie so wichtig ist und welche klinischen Implikationen sich aus dieser Dimension ergeben.
1. Was ist Achse 2 der OPD?
In der OPD-2 (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik, 2. Auflage, 2016) umfasst Achse 2 die Dimension der Beziehung des Patienten, insbesondere die Interpersonalbeziehungen und die Art und Weise, wie der Patient mit anderen interagiert. Hier wird untersucht, inwieweit Beziehungsmuster und Beziehungsprobleme zur Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Symptomatik beitragen. Dazu gehört auch, wie der Patient Beziehungen erlebt und wie unbewusste Konflikte und Abwehrmechanismen in diesen Beziehungen zum Tragen kommen.
Ziel dieser Achse ist es, die Beziehungserfahrungen des Patienten zu diagnostizieren und herauszufinden, welche Beziehungsdynamiken eine Rolle in seiner psychischen Struktur spielen. Es geht darum, Widerstände, Übertragungen und Verleugnungen zu identifizieren, die die Beziehungsfähigkeit und -qualität des Patienten beeinflussen.
2. Beziehung als Spiegel innerer Konflikte
Die psychodynamische Theorie geht davon aus, dass viele psychischen Probleme in den Beziehungen eines Individuums ihren Ursprung haben oder durch sie verstärkt werden. Beziehungen sind nicht nur der äußere Kontext für psychische Erlebnisse, sondern spiegeln auch oft unbewusste innerpsychische Konflikte wider.
Achse 2 ist besonders relevant, um zu verstehen, wie ein Patient seine eigenen inneren Konflikte in zwischenmenschliche Beziehungen projiziert oder diese überträgt. Oft wiederholen sich bestimmte Beziehungsmuster, die auf frühkindliche Erfahrungen oder unbewusste Wünsche und Ängste zurückzuführen sind. Diese Muster zeigen sich dann in der Beziehung zum Therapeuten und können wertvolle Hinweise für die therapeutische Arbeit liefern.
Ein Beispiel: Ein Patient, der in seiner Kindheit Ablehnung von den Eltern erfahren hat, könnte Schwierigkeiten haben, sich in Beziehungen sicher und akzeptiert zu fühlen. In der Therapie könnte er Übertragungen erleben, bei denen er den Therapeuten als abweisend oder ablehnend wahrnimmt, obwohl dieser diese Haltung nicht tatsächlich einnimmt. Solche Übertragungen bieten dem Therapeuten die Möglichkeit, tiefer in die Beziehungsdynamiken des Patienten einzutauchen und diese zu bearbeiten.
3. Die Rolle der Übertragung und Gegenübertragung
In der Arbeit mit der OPD-2 und speziell mit Achse 2 kommt der Übertragung eine zentrale Rolle zu. Der Patient überträgt unbewusste Gefühle, Wünsche und Konflikte auf den Therapeuten, was dazu beiträgt, verdrängte Inhalte sichtbar zu machen. Der Therapeut wird zu einer Projektionsfläche für vergangene Beziehungen des Patienten, insbesondere aus der Kindheit oder früheren wichtigen Bindungen.
Gegenübertragung, also die unbewusste Reaktion des Therapeuten auf die Übertragung des Patienten, spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Die Fähigkeit des Therapeuten, sich der eigenen Gegenübertragungsreaktionen bewusst zu werden, ist entscheidend, um die Beziehung zwischen ihm und dem Patienten produktiv und heilend zu gestalten. In dieser Weise bietet die therapeutische Beziehung eine einzigartige Gelegenheit, die inneren Konflikte und Beziehungsmuster des Patienten zu verstehen und zu transformieren.
4. Beziehung und Abwehrmechanismen
Mentzos (2003) hebt hervor, dass Abwehrmechanismen in zwischenmenschlichen Beziehungen eine Schlüsselrolle spielen, insbesondere in der therapeutischen Beziehung. Abwehrmechanismen wie Verleugnung, Isolation oder Projektion verhindern, dass der Patient bestimmte emotionale Wahrheiten akzeptiert, die mit der Beziehung zum Therapeuten oder anderen verbunden sind.
Beispielsweise könnte ein Patient, der tiefes Misstrauen gegenüber anderen hat, aufgrund früherer Verletzungen und Enttäuschungen, in der Therapie mit Abwehrmechanismen reagieren, um sich vor weiteren emotionalen Enttäuschungen zu schützen. Diese Verleugnungen oder Verdrängungen stellen jedoch Hindernisse für die therapeutische Arbeit dar. In diesem Fall ist es die Aufgabe des Therapeuten, diese Dynamiken zu erkennen und zu bearbeiten, um die Beziehungsfähigkeit des Patienten zu verbessern.
5. Klinische Relevanz der Achse 2
Achse 2 der OPD bietet Therapeuten wertvolle Informationen über die Beziehungsfähigkeit des Patienten und die Art und Weise, wie er zwischenmenschliche Konflikte erlebt. Dies hilft nicht nur bei der Diagnose, sondern auch bei der Behandlungsplanung. Wenn ein Patient Schwierigkeiten in seinen Beziehungen hat, ist es oft erforderlich, dass die Therapie sich auf die Verarbeitung von Übertragungen, das Erlernen neuer Beziehungsstrategien und die Bearbeitung von Abwehrmechanismen konzentriert.
Therapeuten können mithilfe von Achse 2 besser erkennen, ob der Patient bereit ist, emotionale Nähe zuzulassen oder ob tiefere Abwehrhaltungen bestehen, die eine gute therapeutische Beziehung verhindern. Eine solide therapeutische Allianz ist entscheidend für den Erfolg der Behandlung, und die Analyse der Beziehungsdynamiken des Patienten bietet einen wichtigen Schlüssel, um dieses Ziel zu erreichen.
6. Fazit: Achse 2 als Schlüssel für eine erfolgreiche Therapie
Achse 2 der OPD bietet tiefgehende Einblicke in die Beziehungsdynamiken eines Patienten und die psychischen Konflikte, die sein Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen steuern. Sie hilft, unbewusste Übertragungen und Abwehrmechanismen zu erkennen und zu verstehen, wie diese das therapeutische Geschehen beeinflussen. Die Arbeit an der therapeutischen Beziehung und der Beziehungsfähigkeit des Patienten ist somit ein zentrales Element in der psychodynamischen Therapie.
Indem Therapeuten die Beziehungsmuster und Beziehungsprobleme des Patienten genau analysieren, können sie eine fundierte und zielgerichtete Behandlungsstrategie entwickeln, die auf der Förderung von emotionaler Verarbeitung und Beziehungsintegration basiert.
Literatur:
Hogrefe, W. (2016). Operationalisierte psychodynamische Diagnostik OPD-2. Hogrefe Verlag.
Mentzos, J. (2003). Neurotische Konfliktverarbeitung: Ein psychoanalytischer Zugang. Fischer Verlag.
McWilliams, N. (2020). Psychoanalytic Diagnosis: Understanding Personality Structure in the Clinical Process. The Guilford Press.