Schrittmacher- und Defibrillatorkontrolle: Psychoanalytische Reflexionen über Herz, Angst und Kontrolle

Herzschrittmacher und implantierte Defibrillatoren (AICD) sind hochmoderne medizinische Systeme, die Patient:innen ein hohes Maß an Sicherheit bieten. Sie korrigieren zu langsame oder gefährliche Herzrhythmen und können im Notfall lebensrettend wirken. Gleichzeitig bedürfen diese Geräte einer regelmäßigen Nachsorge: Überprüfung der Batterieladung, Kontrolle der Sonden, Auslesen der gespeicherten Rhythmusdaten und Anpassung der Programmierung. Diese Kontrollen erfolgen schmerzfrei und völlig ohne Belastung für die Patient:innen.

Herzrhythmusstörungen: Symptomatik und Ursachen

Herzrhythmusstörungen können sich in Herzrasen, Herzstolpern, Schwindel, Brustschmerzen oder Ohnmacht äußern. Sie werden nach Ursprung (ventrikulär oder supraventrikulär) oder Frequenz (tachykard, bradykard) unterschieden. Ursachen reichen von koronarer Herzkrankheit, Herzklappenfehlern, Diabetes und Bluthochdruck bis hin zu Genussmitteln, Stress oder Angstzuständen bei jungen Menschen. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und kann Medikamente, Katheterablation oder die Implantation eines Schrittmachers umfassen.

Psychosomatische Perspektive

Herzrhythmusstörungen sind oft mehr als nur physiologische Phänomene. Sie spiegeln unbewusste Ängste und psychische Spannungen wider. Freud (1915/2001) beschrieb, dass körperliche Symptome häufig Ausdruck verdrängter Konflikte sein können. Herzschrittmacher und Defibrillatoren repräsentieren in der psychoanalytischen Betrachtung nicht nur medizinische Sicherheit, sondern auch eine äußere Stabilisierung innerer Prozesse: Sie symbolisieren Kontrolle über die Vitalität, die das Herz als zentralen Träger von Leben und Emotionen repräsentiert.

Patient:innen erleben mitunter eine ambivalente Gefühlslage: Erleichterung durch die medizinische Sicherheit, gleichzeitig Angst vor Abhängigkeit von einem technischen Gerät oder vor einem plötzlichen Kontrollverlust des eigenen Körpers. Damasio (1994) beschreibt in diesem Zusammenhang die somatischen Marker: Körperliche Empfindungen wie Herzrasen oder Unregelmäßigkeiten werden direkt mit emotionaler Erregung verknüpft und können Ängste intensivieren.

Psychoanalytische Begleitung

Die psychoanalytische Begleitung bei Patient:innen mit Herzschrittmacher oder Defibrillator umfasst:

  1. Vorbereitung und Aufklärung: Ängste vor dem Eingriff oder der Kontrolle werden thematisiert und reflektiert, um psychische Spannung zu reduzieren.

  2. Integration somatischer Erfahrung: Herzrhythmusstörungen und ihre Behandlung werden als psychosomatische Signale verstanden und in den emotionalen Kontext der Patient:innen eingeordnet.

  3. Bearbeitung von Kontrollverlust und Abhängigkeit: Die psychische Auseinandersetzung mit einem implantierten Gerät fördert die Reflexion über Sicherheit, Verletzlichkeit und Selbstwirksamkeit.

  4. Begleitung während Nachsorgeuntersuchungen: Regelmäßige Kontrollen bieten die Möglichkeit, Angst zu regulieren und das Vertrauen in den eigenen Körper und die medizinische Versorgung zu stärken.

Wie Freud (1923/2001) formulierte: „Wo Es war, soll Ich werden.“ Herzschrittmacher und Defibrillatoren sind somit nicht nur technische Hilfsmittel, sondern eröffnen Patient:innen die Chance, psychische Unsicherheiten zu erkennen, zu integrieren und konstruktiv zu bewältigen.

Fazit

Die Kontrolle von Herzschrittmachern und Defibrillatoren ist ein integraler Bestandteil der medizinischen Betreuung von Patient:innen mit Herzrhythmusstörungen. Gleichzeitig stellt sie ein psychosomatisches Ereignis dar, das die Verbindung von Herz, Angst und Kontrolle reflektiert. Eine psychoanalytisch informierte Betreuung unterstützt Patient:innen dabei, Ängste zu erkennen, somatische Marker zu verstehen und psychische Stabilität zu fördern.


Literatur

  • Damasio, A. R. (1994). Descartes’ Error: Emotion, Reason, and the Human Brain. New York: Grosset/Putnam.

  • Freud, S. (1915/2001). Die Verdrängung. In: Gesammelte Werke, Band 14. Frankfurt am Main: Fischer.

  • Freud, S. (1923/2001). Das Ich und das Es. In: Gesammelte Werke, Band 19. Frankfurt am Main: Fischer.

  • Lichtman, J. H., et al. (2008). Depression and coronary heart disease: Recommendations for screening, referral, and treatment. Circulation, 118(17), 1768–1775.

  • McMurray, J. J., et al. (2012). ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012. European Heart Journal, 33(14), 1787–1847.

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