Präventivmedizin und Herzgesundheit: Psychoanalytische Reflexion über Risiko, Angst und Selbstfürsorge
Präventivmedizin hat das Ziel, Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen früh zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern. Meist geht es dabei um Faktoren wie Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte oder Diabetes. Doch hinter diesen medizinischen Parametern verbergen sich oft auch unbewusste Dynamiken: Stress, innere Konflikte oder ein schwieriger Umgang mit den eigenen Bedürfnissen. Die Psychoanalyse kann helfen, diese verborgene Dimension zu verstehen.
Cholesterin – gespeicherte Spannungen
Erhöhte Cholesterinwerte gelten als schleichender Risikofaktor, weil sie langfristig Gefäße schädigen. Psychodynamisch betrachtet kann sich darin etwas von „gespeicherter“ Spannung zeigen. Franz Alexander (1950) beschrieb, wie verdrängte Aggressionen und ungelöste Konflikte nicht einfach verschwinden, sondern ihre Spuren im Körper hinterlassen. Ernährungsmuster oder Lebensstil sind dann nicht nur bewusste Entscheidungen, sondern auch Ausdruck innerer Kämpfe.
Bluthochdruck – Druck von innen
Hypertonie bleibt oft lange unbemerkt, wirkt aber zerstörerisch. Psychoanalytisch lässt sie sich mit dauerhafter Anspannung, Kontrolle und innerem Druck in Verbindung bringen. Freud (1930/2001) sprach davon, dass der Mensch seine inneren Spannungen entweder abführen oder verkörpern muss. Wer ständig unter Leistungsdruck steht, Verantwortung nicht teilen kann oder unbewusst Angst hat, „die Kontrolle zu verlieren“, spürt diesen Konflikt vielleicht nicht nur seelisch, sondern auch in seinen Gefäßen.
Diabetes – gestörte Selbstfürsorge
Typ-2-Diabetes entwickelt sich langsam und betrifft zentrale Stoffwechselprozesse. Neben genetischen und körperlichen Faktoren spielt auch der psychische Umgang mit Bedürfnissen eine Rolle. Katon & Sullivan (1990) zeigen, wie Depression und Selbstvernachlässigung den Verlauf der Erkrankung beeinflussen. Psychoanalytisch lässt sich Diabetes auch als Störung der Balance zwischen Bedürfnisbefriedigung und Selbstregulation deuten – der Körper signalisiert, dass etwas im inneren Gleichgewicht nicht stimmt.
Prävention als psychodynamischer Prozess
Früherkennung und medizinische Vorsorge sind unverzichtbar. Doch Prävention bedeutet auch, die eigenen unbewussten Muster wahrzunehmen: Wie gehe ich mit Stress um? Erkenne ich meine Bedürfnisse? Erlaube ich mir Ruhe, Genuss, Nähe – oder übergehe ich mich selbst?
Lebensstilveränderungen – Bewegung, Ernährung, Achtsamkeit – sind dann nicht nur medizinische Empfehlungen, sondern innere Lernprozesse: eine Integration von Körper und Psyche. Wie Kirmayer (1988) betonte, sind psychosomatische Symptome oft „Manifestationen psychischer Spannungen“. Prävention kann heißen, diese Spannungen nicht erst in Krankheit übersetzen zu lassen, sondern ihnen einen bewussten Ausdruck zu geben.
Fazit
Das Herz ist nicht nur ein Muskel, sondern auch ein Symbol: Es schlägt im Takt unserer Beziehungen, unserer Konflikte und unserer inneren Welt. Präventivmedizin schützt vor Infarkt und Schlaganfall – die Psychoanalyse ergänzt dies, indem sie uns aufzeigt, wie sehr unser seelisches Erleben mit unserem Körper verwoben ist. Wer früh lernt, unbewusste Muster zu verstehen, schützt nicht nur seine Gefäße, sondern auch sein inneres Gleichgewicht.
Literatur
Alexander, F. (1950). Psychosomatic Medicine: Its Principles and Applications. New York: Norton.
Chobanian, A. V., et al. (2003). Seventh report of the Joint National Committee on Prevention, Detection, Evaluation, and Treatment of High Blood Pressure. Hypertension, 42, 1206–1252.
Freud, S. (1930/2001). Das Unbehagen in der Kultur. In: Gesammelte Werke, Band 21. Frankfurt am Main: Fischer.
Katon, W., & Sullivan, M. (1990). Depression and diabetes: Risk factors, mechanisms, and treatment. Psychosomatic Medicine, 52(2), 109–125.
Kirmayer, L. J. (1988). Mind and body as metaphors: Hidden cultural assumptions in psychosomatic medicine. Culture, Medicine and Psychiatry, 12, 65–92.
Ähnliche Beiträge:
- Herzschwäche und psychosomatische Dimensionen: Langzeitbetreuung aus psychoanalytischer Perspektive
- Herzkatheteruntersuchung und psychosomatische Dimensionen: Wenn das Herz in den Fokus rückt
- Herzklappenerkrankungen: Psychoanalytische Perspektiven auf Kontrolle und Selbstwahrnehmung
- Herzrhythmusstörungen: Psychoanalytische Perspektiven auf Unregelmäßigkeit und Angst