Invasive Elektrophysiologie: Psychoanalytische Betrachtung von Herzrhythmusstörungen und Kontrollverlust

Invasive elektrophysiologische Untersuchungen gehören zu den hochspezialisierten Verfahren der Kardiologie. Sie werden durchgeführt, wenn Herzrhythmusstörungen eine weiterführende Abklärung oder gezielte Therapie notwendig machen. Über Katheter, die im Herzen platziert werden, lässt sich ein intrakardiales EKG ableiten. Treten dabei relevante Rhythmusstörungen auf, kann in derselben Sitzung eine Ablation („Verödung“) erfolgen, um die pathologischen Erregungszentren dauerhaft auszuschalten. Bei Patient:innen mit Vorhofflimmern reicht für die Diagnosestellung oft ein herkömmliches EKG aus, sodass invasive Verfahren hier in der Regel nicht notwendig sind.

Psychosomatische und psychoanalytische Perspektive

Der invasive Charakter dieser Untersuchungen macht sie aus psychodynamischer Sicht zu einem Ereignis mit hoher psychischer Belastung. Herzrhythmusstörungen sind nicht nur organisch erklärbar, sondern können auch Ausdruck unbewusster Konflikte, von Stress oder Angst sein (Freud, 1915/2001). Das Herz gilt in der Symbolik als Sitz von Vitalität, Verletzlichkeit und emotionaler Integrität. Die Vorstellung, dass „im Inneren des Herzens etwas verödet“ wird, kann unbewusste Ängste vor Kontrollverlust, Verwundbarkeit oder existenzieller Bedrohung aktivieren.

Wie Damasio (1994) beschreibt, verbinden somatische Marker körperliche Empfindungen mit emotionalen Erfahrungen. Herzrhythmusstörungen, die während einer elektrophysiologischen Untersuchung ausgelöst oder verstärkt werden, können somit nicht nur somatische Prozesse abbilden, sondern auch unbewusste psychische Spannungen widerspiegeln. Dieses direkte Erleben eröffnet Patient:innen die Möglichkeit, ihre Ängste und Affekte bewusster wahrzunehmen und zu verarbeiten.

Psychoanalytische Begleitung

Eine psychoanalytisch orientierte Begleitung kann Patient:innen in mehreren Phasen unterstützen:

  • Vorbereitungsgespräche: Thematisierung von Ängsten, Sorgen und möglichen emotionalen Reaktionen reduziert unbewusste Spannung und kann psychosomatische Symptome mindern.

  • Begleitung während der Intervention: Eine empathische Kommunikation durch das Behandlungsteam vermittelt Sicherheit und stärkt das Gefühl von Kontrolle.

  • Nachbereitung: Die Reflexion des Eingriffs fördert die Integration der körperlichen Erfahrung in das Selbstbild und eröffnet einen Raum, um verdrängte Affekte wie Angst, Ohnmacht oder Scham zu bearbeiten.

Freud (1923/2001) formulierte das Prinzip: „Wo Es war, soll Ich werden.“ Übertragen auf die invasive Elektrophysiologie bedeutet dies, dass körperlich erlebte Störungen nicht nur technisch behoben, sondern auch psychisch integriert werden können. So wird das Herz nicht allein als Organ, sondern zugleich als Träger seelischer Bedeutung verstanden.

Fazit

Invasive elektrophysiologische Untersuchungen ermöglichen eine präzise Diagnostik und wirksame Behandlung von Herzrhythmusstörungen. Zugleich stellen sie für Patient:innen eine psychosomatische Herausforderung dar, die Ängste, Kontrollverlust und existenzielle Fragen berühren kann. Eine integrative Betreuung, die medizinische Expertise und psychoanalytische Reflexion verbindet, unterstützt die Patient:innen darin, körperliche Eingriffe als Teil einer umfassenden Auseinandersetzung mit ihrer seelischen und körperlichen Integrität zu begreifen.

Literatur

  • Damasio, A. R. (1994). Descartes’ Error: Emotion, Reason, and the Human Brain. New York: Grosset/Putnam.

  • Freud, S. (1915/2001). Die Verdrängung. In: Gesammelte Werke, Band 14. Frankfurt am Main: Fischer.

  • Freud, S. (1923/2001). Das Ich und das Es. In: Gesammelte Werke, Band 19. Frankfurt am Main: Fischer.

  • Lichtman, J. H., et al. (2008). Depression and coronary heart disease: Recommendations for screening, referral, and treatment. Circulation, 118(17), 1768–1775.

  • McMurray, J. J., et al. (2012). ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012. European Heart Journal, 33(14), 1787–1847.

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