Völlerei – Das Streben nach Fülle und Befriedigung

Völlerei wird meist auf übermäßiges Essen oder Trinken reduziert. Psychoanalytisch betrachtet geht es bei Völlerei jedoch nicht nur um Nahrung – sie symbolisiert das Streben nach Fülle, Genuss und emotionaler Sicherheit. Übermäßiges Konsumverhalten kann ein Hinweis darauf sein, dass innere Bedürfnisse nicht ausreichend erfüllt sind.

Völlerei als Bewältigungsmechanismus

Sigmund Freud (1905) beschreibt in der Theorie der psychosexuellen Entwicklung, dass das orale Stadium in der Kindheit entscheidend für das spätere Verhältnis zu Genuss und Befriedigung ist. Unbefriedigte Bedürfnisse in dieser Phase können sich im Erwachsenenalter als übermäßiges Konsumverhalten äußern – sei es in Form von Essen, Trinken, Kaufen oder anderen Genussformen.

Heinz Kohut (1977) und Melanie Klein (1932) sehen in übermäßigem Genuss oft ein psychisches „Füllungsritual“, das innere Leere oder Unsicherheit vorübergehend kompensiert. So wird Völlerei zu einer Art Schutzmechanismus: Sie beruhigt das innere Nervensystem und verschafft kurzfristige Befriedigung.

Psychoanalytischer Blick

Völlerei signalisiert, dass wir versuchen, innere Mängel oder unerfüllte Bedürfnisse durch äußere Mittel auszugleichen. Die Herausforderung besteht darin, die eigenen emotionalen Bedürfnisse zu erkennen und Wege zu finden, sie gesund zu erfüllen. In diesem Sinne ist Völlerei nicht einfach ein moralisches Problem, sondern ein Hinweis auf innere Spannungen und ungelöste Konflikte.

Völlerei in Beziehungen und Alltag

Völlerei kann soziale Beziehungen belasten, wenn sie zwanghaft oder hemmungslos ausgeübt wird. Gleichzeitig bietet sie die Möglichkeit, über das eigene Verhältnis zu Genuss, Fülle und Selbstfürsorge nachzudenken. Wer bewusst wahrnimmt, wann und warum er nach Übermaß strebt, kann lernen, Bedürfnisse auf befriedigendere und nachhaltigere Weise zu erfüllen.

Kurz zusammengefasst:

  • Völlerei ist mehr als übermäßiges Essen – sie symbolisiert das Streben nach Fülle und innerer Sicherheit.

  • Psychoanalytisch gesehen kann sie auf frühkindliche Erfahrungen von Mangel oder unbefriedigten Bedürfnissen hinweisen.

  • Bewusstes Wahrnehmen eigener Bedürfnisse kann helfen, gesunde Wege zur Befriedigung zu finden.

Literatur & Referenzen

  • Freud, S. (1905). Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. SE, 7.

  • Klein, M. (1932). The Psycho-Analysis of Children. London: Hogarth Press.

  • Kohut, H. (1977). The Restoration of the Self. New York: International Universities Press.

  • Bruch, H. (1978). Eating Disorders: Obesity, Anorexia Nervosa, and the Person Within. New York: Basic Books.

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