Wollust – Das Streben nach Nähe und Genuss

Wollust wird in der Alltagssprache meist auf sexuelles Verlangen reduziert. Doch psychoanalytisch betrachtet ist Wollust weit mehr: Sie ist Ausdruck der Lebensenergie, die nach Freude, Nähe und Selbstentfaltung strebt. Sie zeigt, wie sehr wir uns nach Verbindung und intensiven Erfahrungen sehnen – nicht nur körperlich, sondern auch emotional und psychisch.

Lust als Lebensenergie

Sigmund Freud (1905) beschreibt in seinen Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie die Libido nicht nur als sexuelle Energie, sondern als grundlegende Lebensenergie (Eros), die alle Bereiche des Lebens durchzieht. Wollust ist eine Manifestation dieser Energie. Sie kann kreativ, vital und verbindend sein – gleichzeitig birgt sie Spannungen, wenn sie unterdrückt oder konfliktbeladen erlebt wird.

Heinz Kohut (1977) zeigt, dass unbefriedigte Bedürfnisse nach Anerkennung und Spiegelung frühkindlicher Erfahrungen dazu führen können, dass Lust ambivalent erlebt wird: Einerseits zieht sie an, andererseits erzeugt sie Scham oder Angst.

Psychoanalytischer Blick

Psychoanalytisch betrachtet ist Wollust ein Hinweis auf tieferliegende Bedürfnisse nach Verbindung, Lebendigkeit und Selbstentfaltung. Unterdrückung oder Schuldgefühle in Bezug auf Lust können zu innerem Spannungsgefühl, Vermeidungsverhalten oder unbewusster Schuld führen. Wer Lust als „verboten“ empfindet, verliert den Zugang zu einem wichtigen Teil der eigenen Lebendigkeit.

Wollust in Beziehungen

Wollust kann Beziehungen sowohl bereichern als auch belasten. Sie fördert Nähe, Intimität und emotionale Verbundenheit, birgt jedoch Konfliktpotenzial, wenn sie mit Scham oder Angst verknüpft ist. Das Bewusstsein für die eigenen Sehnsüchte ermöglicht es, Lust in authentischer und erfüllender Weise zu leben.

Kurz zusammengefasst:

  • Wollust ist mehr als Sexualität – sie ist Ausdruck von Lebensenergie und Verbundenheit.

  • Psychoanalytisch betrachtet zeigt sie, wo tiefere Bedürfnisse nach Nähe und Selbstentfaltung bestehen.

  • Schuld- oder Schamgefühle können Lust blockieren, das Erkennen und Annehmen kann innere Lebendigkeit fördern.

Literatur & Referenzen

  • Freud, S. (1905). Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. SE, 7.

  • Kaplan, H. (1974). The New Sex Therapy. New York: Brunner/Mazel.

  • Kohut, H. (1977). The Restoration of the Self. New York: International Universities Press.

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