Herzschwäche und psychosomatische Dimensionen: Langzeitbetreuung aus psychoanalytischer Perspektive
Herzschwäche und psychosomatische Dimensionen: Langzeitbetreuung aus psychoanalytischer Perspektive
Die Herzinsuffizienz – oder Herzschwäche – zählt zu den häufigsten internistischen Erkrankungen und ist ein klassisches Beispiel für das komplexe Zusammenspiel von körperlichen und psychischen Faktoren. Medizinerinnen und Mediziner definieren die Herzinsuffizienz als Zustand, bei dem das Herz nicht mehr in der Lage ist, ausreichend Blut zu pumpen, um den Körper optimal mit Sauerstoff zu versorgen. Klinisch zeigt sich dies häufig durch Atemnot, Müdigkeit, Leistungseinbußen und Flüssigkeitsansammlungen, beispielsweise in den Beinen. Ursachen sind vielfältig: koronare Herzkrankheiten, Herzinfarkte, Herzmuskelentzündungen, genetische Kardiomyopathien oder Folgen von Chemotherapie. Je nach pathophysiologischem Muster wird zwischen systolischer (verminderte Kontraktion) und diastolischer (eingeschränkte Füllung) Herzinsuffizienz unterschieden (McMurray et al., 2012).
Psychosomatische Aspekte der Herzschwäche
Aus psychoanalytischer Sicht lassen sich bei chronischen Erkrankungen wie der Herzinsuffizienz tiefere psychische Dimensionen erkennen. Freud (1915/2001) beschrieb in seiner Arbeit zu den „psychischen Ursachen somatischer Erkrankungen“ die Rolle von unbewältigten Konflikten und innerem Stress bei der Entstehung körperlicher Symptome. Patienten mit Herzschwäche erleben nicht selten eine Mischung aus Angst, Kontrollverlust und existenzieller Bedrohung, die über körperliche Beschwerden wie Atemnot oder Müdigkeit Ausdruck findet.
Stress, Depressionen und emotionale Belastung sind nachweislich Risikofaktoren für die Prognose von Herzinsuffizienz (Lichtman et al., 2008). Psychosomatische Modelle, insbesondere die Theorie der somatischen Marker nach Damasio (1994), verdeutlichen, wie emotionale Erfahrungen körperlich „gespeichert“ werden und die Regulation lebenswichtiger Organe beeinflussen können. Chronische Überlastung, Angst vor körperlichem Versagen und Unsicherheit können den Herzmuskel zusätzlich belasten und Symptome verstärken.
Langzeitbetreuung: Integration von körperlicher und psychischer Versorgung
Die moderne Herzinsuffizienztherapie umfasst mehr als die medikamentöse Stabilisierung. Engmaschige Kontrollen, Echokardiographien und Laborwerte sind notwendig, um die Therapie optimal anzupassen. Gleichzeitig zeigt die klinische Erfahrung, dass die psychoemotionale Unterstützung der Patient:innen die Lebensqualität erheblich verbessert. Das bedeutet, psychosomatische Faktoren in die Langzeitbetreuung zu integrieren:
Individuelle Beratung: Patienten profitieren von Gesprächen über Ängste, Sorgen und Einschränkungen im Alltag.
Psychodynamische Begleitung: Psychoanalytisch orientierte Gespräche können unbewusste Konflikte und emotionale Belastungen aufzeigen, die die Erkrankung beeinflussen.
Compliance und Selbstmanagement: Psychische Stabilität unterstützt die Therapietreue, die Einnahme von Medikamenten und die Einhaltung von Kontrollen.
Unsere Erfahrungen am Herz Zentrum Währing zeigen, dass Patient:innen, die sowohl medizinisch als auch psychosozial begleitet werden, besser mit der Erkrankung umgehen und langfristig stabiler bleiben. Die Verbindung von evidenzbasierter Herzinsuffizienztherapie mit psychosomatischer Aufmerksamkeit stellt einen integrativen Ansatz dar, der die Lebensqualität deutlich steigern kann.
Fazit
Herzinsuffizienz ist mehr als ein rein körperliches Phänomen: Sie spiegelt in vielen Fällen tiefe psychische Belastungen wider. Eine Langzeitbetreuung, die medizinische Optimierung und psychosomatische Begleitung kombiniert, entspricht sowohl den Leitlinien der Kardiologie (Ponikowski et al., 2016) als auch den Erkenntnissen der Psychoanalyse über den Zusammenhang von Körper, Geist und unbewussten Konflikten. Nur durch diese integrative Sichtweise können Patient:innen ihr Leben mit Herzschwäche aktiv und selbstbestimmt gestalten.
Literatur
Damasio, A. R. (1994). Descartes’ Error: Emotion, Reason, and the Human Brain. New York: Grosset/Putnam.
Freud, S. (1915/2001). Die Verdrängung. In: Gesammelte Werke, Band 14. Frankfurt am Main: Fischer.
Lichtman, J. H., et al. (2008). Depression and coronary heart disease: Recommendations for screening, referral, and treatment. Circulation, 118(17), 1768–1775.
McMurray, J. J., et al. (2012). ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012. European Heart Journal, 33(14), 1787–1847.
Ponikowski, P., et al. (2016). 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. European Heart Journal, 37(27), 2129–2200.