Abwehrmechanismen nach OPD: Ein zentraler Bestandteil der psychodynamischen Diagnostik
Abwehrmechanismen sind unbewusste psychische Prozesse, die dazu dienen, unangenehme Gedanken, Gefühle oder Konflikte von der bewussten Wahrnehmung abzuhalten. Sie spielen eine zentrale Rolle im psychodynamischen Verständnis von psychischen Störungen und sind ein integraler Bestandteil der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD). Das OPD-Modell ermöglicht eine differenzierte Betrachtung der Abwehrmechanismen und ihrer Auswirkungen auf das Verhalten, die Selbstwahrnehmung und zwischenmenschliche Beziehungen.
In diesem Blogartikel werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Abwehrmechanismen nach OPD, erläutern ihre Bedeutung in der Diagnostik und Therapie und zeigen auf, wie sie die psychische Entwicklung und die Entstehung von psychischen Störungen beeinflussen können.
1. Was sind Abwehrmechanismen nach OPD?
Abwehrmechanismen nach der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD) werden als unbewusste, psychische Strategien beschrieben, mit denen das Individuum unangenehme oder bedrohliche Gedanken, Gefühle und Konflikte abwehrt. Diese Mechanismen dienen der psychischen Selbstregulation und ermöglichen es dem Individuum, mit inneren Spannungen und äußeren Anforderungen besser umzugehen. Sie entstehen als Reaktionen auf psychische Konflikte und können in unterschiedlichen Stärken und Formen auftreten.
Nach OPD sind Abwehrmechanismen nicht nur Abwehrprozesse im klassischen Sinne, sondern sie werden auch als strukturbildende Elemente der Psyche betrachtet. Sie sind in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und Komplexitätsstufen ausgebildet und können die Entwicklung von Persönlichkeitsstrukturen beeinflussen.
2. Arten von Abwehrmechanismen nach OPD
Die OPD unterscheidet zwischen verschiedenen Abwehrmechanismen, die unterschiedliche Auswirkungen auf die psychische Struktur und das zwischenmenschliche Verhalten haben. Einige der wichtigsten und am häufigsten vorkommenden Abwehrmechanismen sind:
• Verdrängung: Ein zentraler Abwehrmechanismus, bei dem schmerzhafte oder angstauslösende Gedanken, Gefühle oder Erinnerungen aus dem Bewusstsein ausgeschlossen werden. Verdrängung kann zu psychischen Symptomen führen, wenn verdrängte Inhalte wieder ins Bewusstsein drängen.
• Projektion: Hierbei werden eigene unangenehme oder inakzeptable Gedanken, Gefühle oder Wünsche auf andere Personen oder äußere Objekte übertragen. Zum Beispiel kann jemand, der selbst Wut empfindet, diese auf andere projizieren und glauben, dass andere wütend auf ihn sind.
• Rationalisierung: Menschen, die diesen Abwehrmechanismus nutzen, rechtfertigen unbewusste Handlungen oder Gedanken mit scheinbar logischen oder akzeptablen Gründen, um unangenehme Gefühle zu vermeiden. Ein Beispiel wäre, wenn jemand einen Fehler macht und sich dann mit der Erklärung beruhigt, dass dieser Fehler ohnehin niemandem geschadet hat.
• Identifikation: Hierbei übernimmt ein Individuum die Eigenschaften oder Verhaltensweisen einer anderen Person, um sich vor den eigenen Ängsten oder Schwächen zu schützen. Diese Mechanismus kann als Schutz vor inneren Konflikten dienen, indem der Betroffene seine eigene Identität in der einer anderen Person verliert.
• Regression: Regression beschreibt den Rückgriff auf frühere Entwicklungsstufen oder kindliche Verhaltensweisen als Reaktion auf stressige oder angstauslösende Situationen. Dies kann sich etwa in der Rückkehr zu kindlichen Verhaltensweisen wie Wutausbrüchen oder Klammern zeigen.
• Sublimierung: Sublimierung ist ein relativ adaptiver Abwehrmechanismus, bei dem soziale akzeptierte Ausdrucksformen für die ursprünglich inakzeptablen Wünsche und Impulse gefunden werden. Beispielsweise kann jemand, der hohe Aggressionen verspürt, diese in kreative Tätigkeiten oder sportliche Leistungen umleiten.
3. Abwehrmechanismen und die OPD-Diagnostik
In der psychodynamischen Diagnostik nach OPD spielt die Untersuchung der Abwehrmechanismen eine zentrale Rolle, da sie einen tiefen Einblick in die innerpsychischen Prozesse des Patienten gewähren. Der Umgang mit inneren Konflikten, die über Abwehrmechanismen reguliert werden, ist oft ein Hinweis auf die Struktur und die Stabilität der psychischen Funktionen des Individuums.
Ein wichtiges diagnostisches Ziel ist es, die vielfältigen und komplexen Abwehrmechanismen des Patienten zu erkennen und zu differenzieren. Diese können eine wichtige Funktion in der Aufrechterhaltung des Selbstschutzes erfüllen, aber auch zu psychischen Störungen führen, wenn sie in übermäßiger oder unangemessener Weise zum Einsatz kommen.
4. Abwehrmechanismen und psychische Störungen
Gestörte Abwehrmechanismen sind häufig mit psychischen Störungen verbunden, da sie das Verhalten, das Erleben und die Beziehungsgestaltung der Betroffenen stark beeinflussen. Einige typische psychische Störungen, die eng mit Abwehrmechanismen verknüpft sind, umfassen:
• Depression: Patienten mit Depressionen zeigen häufig Verdrängung oder Repression von positiven Gefühlen und Erlebnissen. Sie können Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen, was zu einem Gefühl der inneren Leere führt.
• Borderline-Persönlichkeitsstörung: Bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung sind Projektionen und Spaltung häufig anzutreffen. Diese Menschen tendieren dazu, ihre inneren Widersprüche auf andere zu projizieren und zwischen idealisierten und abgewerteten Vorstellungen von anderen zu schwanken.
• Zwangsstörungen: Menschen mit Zwangsstörungen setzen oft Rationalisierung und Sublimierung ein, um sich mit inneren Konflikten auseinanderzusetzen. Sie haben häufig das Bedürfnis, durch ritualisierte Handlungen oder Denkprozesse Kontrolle zu erlangen.
• Narzisstische Persönlichkeitsstörung: In der narzisstischen Persönlichkeitsstörung kann Verdrängung von negativen Gefühlen und eine grandiose Selbstwahrnehmung durch Rationalisierung und Projektion den Kern des psychischen Konflikts darstellen.
5. Die Rolle des Therapeuten bei der Arbeit mit Abwehrmechanismen
Die Arbeit mit Abwehrmechanismen ist ein zentrales Element der psychodynamischen Therapie. Ein Therapeut hilft dem Patienten dabei, die Abwehrprozesse zu erkennen und zu verstehen, welche unbewussten Konflikte diese hervorrufen. Ziel ist es, dem Patienten zu ermöglichen, die Abwehrmechanismen zu differenzieren und zu lernen, mit den zugrundeliegenden Emotionen und Konflikten auf eine gesündere Weise umzugehen.
Der Therapeut muss sich dabei auf verhaltenstechnische sowie affektive Interventionen stützen, um die Bewusstwerdung von Abwehrmechanismen zu fördern und dem Patienten zu ermöglichen, die unbewussten psychischen Prozesse zu integrieren.
6. Fazit
Abwehrmechanismen sind ein zentraler Bestandteil der psychodynamischen Diagnostik und Therapie nach OPD. Sie bieten wertvolle Einblicke in die inneren psychischen Prozesse eines Patienten und sind ein wichtiger Faktor bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen. Eine erfolgreiche Therapie kann nur dann erfolgen, wenn der Therapeut die Abwehrmechanismen des Patienten erkennt, deren Funktion versteht und einen Weg findet, die zugrunde liegenden Konflikte aufzulösen.
Literaturangabe:
• OPD-2: Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik. Hogrefe, 2016.